MERحABA MOABÎT erreicht neue Leute in der Nachbarschaft
von Gerald Backhaus
Seit März 2025 ist MERحABA MOABÎT unterwegs in Moabit. MERحABA MOABÎT ist das neue Mobile Stadtteilarbeit Projekt des Moabiter Ratschlag e.V. mit Schwerpunkt auf Diversität und Inklusion. Erfahrungen von Diskriminierung und fehlendes Zugehörigkeitsgefühl sind oft der Grund, dass Menschen sich nicht beteiligen. Wir treffen uns dort, wo das Projektteam angebunden ist, und zwar in seinem „Basislager“, dem Stadtschloss Moabit in der Rostocker Straße 32. Şehnaz Layıkel Prange und Mohammed Kello sind die beiden Gesichter von MERحABA MOABÎT. Zu ihren Kollegen bei der Mobilen Stadtteilarbeit Moabit Nord gehören auch Douraid Rahhal, der beim Interview mit dabei ist, sowie Peter Kapsch, der vielen als Stadtteilkoordinator von Moabit Ost bekannt ist. Innerhalb des Projekts fokussiert sich Peter Kapsch auf die Themen Nachhaltigkeit und Klima. Bei MERحABA MOABÎT gibt es keine Leitung: „Wir haben flache Hierarchien“, sagt Douraid, der schon länger als Koordinator beim Träger Moabiter Ratschlag e.V. beschäftigt ist und hier die Töpferwerkstatt, einen Chor und andere kulturelle Begegnungsangebote mit aufgebaut hat.
“…an die Menschen in Moabit heran kommen, die bisher noch nicht erreicht wurden”
Das Projektziel haben sie klar definiert: „Wir möchten an die Menschen in Moabit heran kommen, die bisher noch nicht erreicht wurden, und zu ihnen ein Vertrauen aufbauen, das es noch nicht gibt.“ Wen sie damit genau meinen? Da wären zum Beispiel diejenigen, die (noch) nicht so gut Deutsch sprechen und die existierende Angebote nicht ganz erreichen können. Damit sich diese Leute angesprochen fühlen, hat das Projekt ganz bewusst seinen Namen ausgewählt.
MERحABA MOABÎT ist mehrsprachig
In MERحABA MOABÎT kommen mehrere Sprachen vor: in das türkische Wort „merhaba“ („hallo“) wurde ein arabischer Buchstabe integriert, und im Wort „Moabit“ findet sich ein kurdisches „i“. Dadurch sollen die Menschen gleich merken: „Dieses Projekt spricht mich an.“ Informierten bisher über die Projekte des Moabiter Ratschlag e.V. Faltblätter nur mit Überschriften in verschiedenen Sprachen und dann ging der Text auf Deutsch weiter, so sollen die bald gedruckten neuen Infoblätter für MERحABA MOABÎT komplett auf Türkisch und Arabisch erscheinen. Und auch mündlich ist das Team in mehreren Sprachen ansprechbar, wenn es in Moabit unterwegs ist.
Şehnaz Layıkel Prange
Şehnaz spricht neben ihrer Muttersprache Türkisch auch Deutsch und Englisch. Sie stammt aus der Türkei, hat dort Psychologie und Kunst studiert sowie in sozialen und Menschenrechtsprojekten gearbeitet. Seit 2017 lebt Şehnaz in Deutschland. Sie ist gerade dabei, an der Universität der Künste (UdK) zum Thema „Soziale Traumata und zeitgenössische Kunst“ zu promovieren. Für den Frauen Solidaritätsverein Puduhepa e.V. ist sie ehrenamtlich tätig. Sie unterstützt die Frauen dort auch durch psychosoziale Aktivitäten.
Mohammed Kello und Douraid Rahhal
Ihr Kollege Mohammed stammt aus Syrien und hat dort englische Literatur studiert. Seitdem er in Deutschland lebt, wirkte er sechs Jahre lang als Schauspieler beim Theater.X in der Moabiter Wiclefstraße. Seit seiner Weiterbildung zum künstlerischen Erzähler an der UdK im Jahr 2019 erzählt er Geschichten, und zwar dreisprachig: auf Kurdisch, Arabisch und Deutsch. Mohammed arbeitete ein Jahr lang in einer Flüchtlingsunterkunft in Nikolassee. Derzeit studiert der junge Mann Soziale Arbeit an der Berliner Alice-Salomon-Hochschule (ASH). Als Geschichtenerzähler war er in der Vergangenheit schon mal für den Hof des Stadtschlosses gebucht worden. So richtig kennengelernt hat er den Trägerverein Moabiter Ratschlag e.V. aber erst vor kurzem im März 2025. Neben Kurdisch, Arabisch, Deutsch und Englisch lernt Mohammed nun zusätzlich auch Türkisch. Douraid wiederum bezeichnet sich als 100 Prozent Deutsch und 100 Prozent Arabisch: „Ich bin also 200 Prozent!“, sagt er lachend. Er spricht neben Arabisch und Deutsch auch Englisch und hat damit begonnen, Aramäisch zu lernen.
Großes Projektgebiet
Mohammed und Şehnaz lernen seit März 2025 zuerst einmal den Moabiter Kiez und die hier beheimateten Einrichtungen und Akteure kennen. Das Gebiet, in dem sie tätig sind, ist groß. Auf der Karte zeigen sie, dass es im Prinzip den ganzen Norden von Moabit umfasst, also alles was nördlich der Turmstraße liegt, vom Stephankiez und der Zille-Siedlung ganz im Osten bis hin zum Huttenkiez ganz im Westen. Sie werden dieses große Gebiet als mobiles Team zunächst besonders anhand von bestimmten Ankerorten bespielen. Neben dem Stadtschloss, wo sich auch das Projektbüro befindet, sind das der Moabiter Schulgarten in der Birkenstraße, der Nachbarschaftsladen „Stephans“ und das Café „LouLou“ in der Lübecker Ecke Perleberger Straße.
Unterwegs mit der Zuckerwatte-Maschine
Für Veranstaltungen, um mit der Nachbarschaft in Kontakt zu kommen, hat MERحABA MOABÎT viele Ideen. Eine Zuckerwatte-Maschine wurde bereits angeschafft. „Damit sind wir immer donnerstags in Moabit unterwegs,“ berichtet Mohammed, „und über die Kinder, die auf uns zukommen, lernen wir auch ihre Eltern kennen.“ Şehnaz ergänzt, dass sie Klappstühle dabei haben und dass man dann „wie in verschiedenen Ländern“ zusammen draußen sitzen und schwatzen kann. Los ging es damit bereits am 7. Mai 2025 auf dem Refo-Campus, den Mohammed durch das Theater.X sehr gut kennt. Bei der dortigen Veranstaltung zum Thema Frieden erzählte er eine Geschichte aus Palästina und Şehnaz trug ein Friedensgedicht vor. Die nächste Zuckerwatte-Aktionen finden in der “Woche der Nachbarschaft“ am 20. Mai im „Stephans" und am 23. Mai im Stadtschloss Moabit statt. Zwei weitere Aktionen gibt es am 22. Mai 2025 von 16 bis 18 Uhr im Schulgarten sowie am 21. Juni 2025 zur großen „Fête de la Musique“ am Rathaus Tiergarten.
Sofra-Abendessen im Stadtschloss-Hof
Im Juni soll es mit den „Sofra“-Veranstaltungen los gehen. Das türkische und kurdische Wort „Sofra“ bedeutet „Tafel“. Am ersten Freitag im Monat wird MERحABA MOABÎT unter diesem Motto Abendessen im Hof des Stadtschlosses veranstalten, zum ersten Mal am 6. Juni 2025 sowie im Juli und August. Ein richtig großes „Sofra der fliegenden Teller“ soll es dann im September geben. Dann können die Interessierten ihre eigenen Lieblingsgerichte mitbringen und sich die Geschichten, die sie damit verbinden, dazu erzählen. „Dabei soll niemand auf seinem Stuhl sitzenbleiben, sondern es wird gewechselt!“
Sahleb im Winter
Da die „kreative Aktivierung“ der Nachbarschaft im Winter mit Zuckerwatte nicht so günstig ist, hat MERحABA MOABÎT eine prima Idee für die kalte Jahreszeit. Eine „Sahleb“-Maschine wird angeschafft, und dann wird damit dieses süße heiße Getränk aus Milch und Sahlebpulver zubereitet und mit Zimt serviert. „Ist wie Pudding, nur flüssiger“, beschreibt es Şehnaz.
„Magic Box“ mit Moabit-Fotos von Jugendlichen
Ein weiteres Werkszeug zur Ansprache und Aktivierung wird - neben der Zuckerwatte- und der Sahleb-Maschine - die sogenannte „Magic Box“ sein. Das ist eine Holzbox mit einem schwarzen Tuch, in die man hinein schaut und dort ein Bilder-Rad mit vielen Fotomotiven sieht. Diese Fotos sollen in Zusammenarbeit mit Moabiter Jugendlichen entstehen, auf denen sie für sie wichtige Orte im Kiez festhalten. Angedacht ist, daraus dann vielleicht auch eine Ausstellung zu machen.
Musik auflegen im “TraumRaum”
Und dann wäre da noch der „TraumRaum“. Das ist ein DJ-Pult, an dem Kinder ihre Lieblingsmusik auflegen können. Auf einer Schrifttafel erscheint dann der Künstlername des jeweiligen Mädchens oder Jungens, also wer gerade auflegt. Diese Aktion soll es entweder in einem Raum im Stadtschloss oder vielleicht in einem Bauwagen geben. Klappt es mit dem Bauwagen, dann könnte der „TraumRaum“ mobil an verschiedenen Standorten in Moabit stattfinden.
Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Es wird aus der Gemeinschaftsinitiative mit Senatsverwaltung Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen gefördert.
„Und im Sommer veranstalten wir drei Mal Freiluft-Popcorn-Kino“, fällt Mohammed zum Schluss noch ein. Das findet im Stadtschloss statt.
Wie man Şehnaz Layıkel Prange und Mohammed Kello am besten erreichen kann? Mittwochs und Freitags zwischen 10-13 Uhr sind regelmäßige Sprechzeiten im Stadtschloss geplant.
Kontakt zu MERحABA MOABÎT:
Team Mobile Stadtteilarbeit Moabit Nord, Moabiter Ratschlag e.V., Rostocker Straße 32, 10553 Berlin, Telefon: Şehnaz Layıkel Prange 015563507267 und Mohammed Kello 015563472078 E-Mail: sehnaz.layikel@moabiter-ratschlag.de, mohammed.kello@moabiter-ratschlag.de, https://moabiter-ratschlag.de
Text & Fotos: © Gerald Backhaus 2025 – dieser Artikel erschien zuerst und im Auftrag des QMs Moabit-Ost